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Häkelanleitungen richtig lesen - so geht‘s

Wenn andere Leute mitkriegen, dass ich Kuscheltiere häkle, finden das die meisten toll.

Regelmäßig überrascht bin ich davon, wieviele - vor allem junge - Menschen mir sagen, dass sie auch häkeln oder zumindest mal gehäkelt haben, aber mit dem Nachsatz „nur [geschriebene] Anleitungen lesen kann ich nicht“.

Es ist natürlich total ok, ausschließlich nach Videoanleitungen zu häkeln. Immerhin findest du im Internet Tutorials für einfach alles, was du lernen willst. Nur verpasst du dann einen großen Teil der wunderbaren Häkelwelt. Egal, auf welchem Weg du Anleitungen lieber konsumierst, es ist gut, die Wahl zu haben.

Bevor wir loslegen, noch ein kleiner Hinweis:

Neben den Anleitungen, die tatsächlich “ausgeschrieben” sind, also dir Reihe für Reihe oder Runde für Runde in Textform sagen, welche Maschen du der Reihe nach häkeln sollst (du kannst dir hier die Anleitung für Pfau Pascal anschauen, um zu sehen was gemeint ist), gibt es auch Anleitungen mit Grafiken oder Charts. Diese bildlichen bzw. graphischen Darstellungen der einzelnen Häkelmaschen zeigt, welche Masche wo drankommt und hat in der Regel eine Legende, was mit welchem Zeichen gemeint ist. Das ist streng genommen auch Häkelanleitungen, die gelesen werden, ich spreche in diesem Blogartikel aber ausschließlich von ausgeschriebenen Anleitungen, die aus Text bestehen.

Zuerst klären wir, was du davon hast, geschriebene Anleitungen lesen zu können, um uns anschließend anzuschauen, wie das genau funktioniert.


Warum ist es gut, Häkelanleitungen lesen zu können?

Versteh mich nicht falsch, ich liebe die Möglichkeiten, die YouTube und Videotutorials uns geschenkt haben. Techniken, Häkelmaschen und viele Tipps können mit Videos ganz wunderbar rübergebracht werden und machen so viele Handarbeitsfreund*innen unabhängig von Kurszeiten und der Verfügbarkeit von Büchern und/oder einer Person, die schon häkeln kann im nahen Umfeld.

Videoanleitungen sind toll. Vor allem, um die wichtigsten Häkelmaschen zu lernen und neue Techniken auszuprobieren.

Und trotzdem bin ich überzeugt, dass Häkeln, ohne Anleitungen lesen zu können, nur der halbe Spaß ist und du auf viele Möglichkeiten verzichtest, wenn du dich rein an Videoanleitungen halten musst.

Stell dir vor, du hast aus irgendeinem Grund keinen Empfang. Geschriebene Anleitungen kannst du ausdrucken, oder am Handy speichern, sodass sie dir in jeder Lebenslage zur Verfügung stehen.

Im Wartezimmer beim Arzt, in der U-Bahn, wenn du neben dem kranken und/oder schlafenden Kind im Bett liegst oder wenn du bei irgendeiner Behörde darauf wartest, dass deine Nummer aufgerufen wird, es gibt viele Situationen, in denen du aus verschiedenen Gründen kein Video anschauen kannst oder willst.

Auf einen Zettel schauen oder kurz ein PDF am Handy aufrufen geht dann aber meistens trotzdem.

Und schon bist du startklar, um zu häkeln.

Ein weiterer Vorteil bei geschrieben Anleitungen ist aus meiner Sicht, dass du bereits gehäkelte Rundem abhaken oder wichtige Passagen markieren kannst. Außerdem hast du die Möglichkeit, die ganze Anleitung auf einen Blick zu sehen. Im Video bekommst du alles Stück für Stück vorgesetzt.

Wie gehst du jetzt aber genau vor, wenn du nach einer geschriebenen Anleitung häkeln willst?

  1. Von Anfang an

    Ja, klingt simpel, ist aber wichtig. Lies dir erstmal in Ruhe die Anleitung von vorne bis hinten durch. So weißt du schon, aus welchen Teilen das Kuscheltier besteht und hast einen Überblick, welche Techniken und welches Garn benötigt werden. Wenn dir hier etwas unklar ist, kannst du schon mal recherchieren oder die Autor*in kontaktieren und nachfragen.

  2. Das Material

    Jede Häkelanleitung sollte einen Abschnitt haben, wo angegeben ist, welches Material du zum Häkeln dieses Projektes benötigst.

    Hier wird zum Beispiel auch erwähnt, mit welchem Garn und welcher Häkelnadel dein Tier welche Größe erreicht. Da nicht jede*r gleich fest häkelt, kann dein Ergebnis natürlich abweichen (Ich häkel zum Beispiel sehr fest, meine Tiere werden selbst mit einer größeren Häkelnadel meistens kleiner als bei allen anderen).

    Machmal ist auch eine Maschenprobe angegeben. Also, wieviele Maschen und Reihen die Autorin mit einem bestimmten Garn benötigt hat, um eine Fläche von 10x10 cm zu häkeln. Ich selber gebe bei Amigurumi Anleitungen meistens keine Maschenprobe an, schreibe aber dazu, mit welcher Häkelnadel und welchem Garn ich auch welche Größe beim fertigen Tier gekommen bin. Das halte ich im Falle von Kuscheltieren für relevanter.

    Wofür sind diese Angaben wichtig?

    Nun, zum einen gibt es Anlässe, wo du ein Häkeltier in einer bestimmten Größe häkeln möchtest.

    Willst du zum Beispiel einen Anhänger für den Kindergartenrucksack häkeln, soll das Tier natürlich eher klein werden. Ein anderes Mal soll es ein großes Tier werden, mit dem dein Kind spielen und das im Puppenwagen spazierengefahren wird.

    Kennst du das Originalgarn, kannst du davon ausgehend entscheiden, wie groß dein Kuscheltier werden soll. Mehr über das Substituieren, also wie du andere als die angegebene Wolle für eine Anleitungen auswählst, kannst du in diesem Blogartikel nachlesen: “Kann ich andere Wolle verwenden, als in der Anleitung angegeben?

  3. Die Abkürzungen

    Jede ausgeschriebene Häkelanleitung, die Abkürzungen verwendet, sollte ein Abkürzungsverzeichnis beinhalten.

    Meines sieht in der Regel so aus:

    „KM - Kettmasche(n)

    LM - Luftmasche(n)

    fM - feste Masche(n)

    R - Runde

    Rd - Runden

    zun - zunehmen (= 2 Maschen in eine Masche der Vorrunde)

    abn - abnehmen (= 2 Maschen zusammen abmaschen)

    […]*x - der Ausdruck in der [ ] Klammer muss x-Mal wiederholt werden“

    Ja, wenn du schon ein paar Mal nach Anleitung gehäkelt hast, ist dir klar, dass fM feste Maschen sind und Stb Stäbchen und du weißt auch, was das genau bedeutet.

    Auch mit etwas Erfahrung kann es aber in neuen Anleitungen immer wieder Begriffe und Abkürzungen geben, die du noch nicht kennst. Darüber hinaus kann es sein, dass eine Autor*in, von der du zum ersten Mal etwas häkelst, Abkürzungen benutzt, die dir so noch nicht untergekommen sind.

    Das Abkürzungsverzeichnis ist auch hier dein Freund und Helfer.

  4. Die besonderen Hinweise

    Alle weiteren wichtigen Infos, die die ganze Anleitung betreffen, sollten extra zu Beginn erwähnt werden. Wenn es eine besondere Maschenkombination gibt, sollte die auch am Anfang erklärt werden. So habe ich in der Rippenschal-Anleitung das X extra am Anfang ausführlich erklärt. So ist sichergestellt, dass jede*r beim Anleitungsteil weiß, was er oder sie genau machen muss.

  5. Die Anleitung

    Jetzt geht es ans Eingemachte.

    Die geschriebene Anleitung.

    Hier wird angegeben, wieviele Maschen du anschlagen musst. Anschließend folgst du Reihe für Reihe oder Runde für Runde der Anleitung. Hier ist Masche für Masche angegeben, was du der Reihe nach häkeln sollst.

    Steht hier also zum Beispiel „R08: fM, Stb, 2 fM, 5 Stb (09)“ so häkelst du die angegebenen Maschen in genau dieser Reihenfolge, 1 feste Masche, 1 Stäbchen, dann in die nächsten 2 Maschen je 1 feste Masche und in die nächsten 5 Maschen je 1 Stäbchen.

    Sehr nützlich finde ich die Angabe, wieviele Maschen du am Ende einer Reihe oder Runde haben solltest. So kannst du zwischendurch immer wieder nachzählen, ob alles stimmt und du kannst nicht versehentlich eine Masche verlieren. Ich schreibe das in Klammern ans Ende jeder Runde.

    Wird eine Masche übersprungen, ist das genauso angeführt wie die Tatsache, dass du Maschen zu- oder abnehmen musst. Musst du zwischendurch die Farbe wechseln, steht auch dafür die genaue Position in der Anleitung (im Beispiel oben würde nach R08 dann stehen „Wechsel zu dunkelblau, R09: „ oder „Wechsel zu F2“, falls die einzelnen Farben im Abkürzungsverzeichnis mit einer Nummer - also Farbe1, Farbe 2 usw bekommen haben).

    Weitere nützliche Infos sind, wo du die Füllwatte einfüllen sollst, und wann die Fäden abgeschnitten und vernäht werden sollen.

  6. Dein eigener Weg

    Jetzt kommen wir zum letzten und für mich wichtigsten Teil.

    Denn die Anleitung ist nur der Anfang. Hast du erstmal den Aufbau von geschrieben Häkelanleitungen verstanden, kannst du alle Anleitungen lesen.

    Es ist wie ein Baukasten. Hast du erstmal verstanden, welche Bestandteile es gibt und wie die Regeln sind, kannst du deinen eigenen Weg gehen.

    Ich schreibe meine Häkelanleitungen, um dir Zeit zu sparen. Wenn dir das Tier so gefällt, wie es ist und du das Garn da hast, kannst du ganz einfach die Anleitung nachhäkeln und ein ähnliches Ergebnis erreichen.

    Willst du es aber ein wenig größer oder kleiner, mit einem anderen Garn? Hättest du die Arme gerne länger oder kürzer oder soll das Kuscheltier ein weniger schlanker oder rundlicher werden?

    Dann kannst du ausgehend von der Anleitung deiner Kreativität freien Lauf lassen. Denn das Schöne beim Häkeln ist ja: erlaubt ist, was gefällt.

Ich hoffe, du hast jetzt auch Lust, geschriebene Anleitungen auszuprobieren. Je mehr Quellen für Häkelideen und -anleitungen du anzapfen kannst, desto bunter und vielfältiger wird deine Häkelwelt. Denn die Anleitungen sind eigentlich nur der Samen, mit dem alles anfängt. Ich freu mich, zu sehen, was du daraus machst.

Fröhliches Häkeln

deine Susi

P.S.: Wenn du jemanden kennst, der oder die bisher nur nach Videoanleitungen häkelt, teile doch gerne diesen Blogartikel und inspiriere deine Häkelfreund*innen, mal was Neues auszuprobieren. Ich danke dir.